Magnus, Du bist 34 und leitest von Stockholm die digitale Kommunikation für TUI Nordic. Seit Herbst 2020 verantwortest du zusätzlich die Kommunikation bei TUI Musement. Gab es Momente in Deiner Karriere, in denen du gedacht hast: „Wow, das geht jetzt aber ganz schön schnell?“ Da ich ein eher ungeduldiger Mensch bin, geht es mir ehrlich gesagt oft zu langsam. Schon im ersten Semester des Studiums der Kommunikationswissenschaft wusste ich als einer der wenigen, dass ich danach in die Unternehmenskommunikation gehen wollte. Meine Mutter arbeitet in der PR und die Einblicke innerhalb der Familie haben meinen Wunsch geweckt. Als Teenager habe ich neben dem Abi als Journalist gearbeitet und dann festgestellt, dass die andere Seite – nämlich die der PR – tatsächlich die spannendere ist. Die Leitung der Unternehmenskommunikation einer bekannten Marke war immer mein großes Ziel. Meine erste Führungsrolle war bei Vodafone und damals durfte ich das Team aufbauen und mitentscheiden, wie es besetzt wird – eine wirklich ideale Ausgangssituation mit viel Lernpotenzial. Auch heute macht es mir enorm viel Freude, Menschen in einem Konzern wie TUI thematisch mitzunehmen, zu motivieren und wachsen zu sehen. Du bist seit über fünf Jahren bei TUI. Wie war der Wechsel von der Konzernzentrale in Hannover nach Stockholm im April 2018 für dich? Was hat dich das Leben und Arbeiten in Schweden bislang gelehrt? Ich glaube Stockholm ist nicht repräsentativ für ganz Schweden, aber die Arbeit auf Augenhöhe in Schweden hat mich beeindruckt. In einem der ersten Meetings – einer großen Entscheider-Runde – hat sich ein Praktikant zu Wort gemeldet und hat alles, was vorher präsentiert wurde, in Frage gestellt. Ich dachte damals: „Das gibt es ja nicht. Warum macht er das?“ Die Reaktion im Raum war aber offen und positiv und man hat sich bei dem Praktikanten für den Input bedankt. Über die Zeit habe ich gemerkt, dass die Hierarchien und Höflichkeitsformen, die ich in Deutschland gelernt habe, oft künstlich wirken. In Schweden kann ich viel mehr ich selbst sein und meiner Intuition und Persönlichkeitsstruktur folgen. Und das wird akzeptiert. Diese Einsicht hat mich definitiv reifen lassen und mir mehr Selbstvertrauen und innere Ruhe gegeben. Das Gelernte wende ich auch in Meetings mit deutschen Kollegen an. Was bedeutet Karriere für Dich? Muss man für beruflichen Erfolg Opfer bringen? Welche? Ich glaube nicht, dass man Opfer bringen muss. Ich persönlich habe über die Jahre aber sicher welche gebracht. Um 3:30 Uhr aufstehen, um den frühen Flug zu nehmen? Irgendwann zahlt sich das aus. Für mich ist Karriere nichts, was heute fertig ist, sondern ein „Hinarbeiten“ auf etwas. Bald werde ich zum zweiten Mal Vater und natürlich ändern sich dadurch die Prioritäten. Ein Bekannter sagte kürzlich zu mir, dass ein Kind glückliche Eltern verdient. Für mich bedeutet das nicht, den ganzen Tag ausschließlich mit meinem Kind zu verbringen. Ich strebe weiterhin nach beruflicher Erfüllung. Das Kind morgens zur Tagesmutter zu geben und am Abend und Wochenende Qualitätszeit zusammen zu verbringen: am Ende profitieren alle, wenn Eltern eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben finden. Aus welchem Misserfolg hast Du am meisten gelernt – und was? Ich finde, es kommt drauf an, Fehler nicht unter den Teppich zu kehren, sondern offen darüber zu sprechen. Im Büroalltag ist oft das Gegenteil der Fall. Jeder versucht die eigenen Fehler zu verstecken – und meist sind es die anderen schuld. Ein konkretes Bespiel: Wir haben mal ein teures Online-Projekt über mehrere Abteilungen umgesetzt. Mit Druck des Startknopfes war im Grunde klar, dass der Rest der Organisation dem Projekt nicht folgen würde, da es den Erfolg anderer im Unternehmen geschmälert hätte. Uns war nicht bewusst, wie schwierig die Umsetzung sein würde. Es war eine große Herausforderung, aus der Situation herauszukommen, das eigene Gesicht und das der Stakeholder nicht zu verlieren und gleichzeitig etwas Positives aus der Erfahrung mitzunehmen. Was ich daraus gelernt habe? Optimistisch bleiben, Fehler offen ansprechen und positive Lernerfolge herausstellen. Kann man allein Karriere machen? Welche Rolle spielt die Führungskraft? Ich habe selbst schmerzhaft gelernt, dass man sich nicht den Job aussuchen sollte, sondern die Führungskraft. Wenn man ein schlechtes Gefühl beim Vorstellungsgespräch hat oder in der ersten Arbeitswoche merkt: diese Führungskraft wird mir nichts zutrauen – dann ist man am falschen Ort, egal wie toll das Unternehmen ist. In dem Moment ist es wichtig, auch schwierige Entscheidungen zu treffen und sich eine Führungskraft auszusuchen, die an einen glaubt. Mir selbst wurden durch Empfehlungen Türen geöffnet – trotzdem muss man sich allein beweisen. Ich finde den Aufbau eines professionellen Netzwerks wichtig und wertvoll, denn irgendwann hat man als Führungskraft rechts und links wenige andere Kommunikatoren, die man um Rat fragen kann. Diese Kombination – gute Führungskraft, Empfehlungen, Netzwerk – würde ich jedem empfehlen, ganz unabhängig davon, ob die Person Karriere machen will oder nicht. Was ist gute Führung? Am Anfang meiner Karriere hat mir mal jemand gesagt, es sollte mehr von „meiner Sorte“ in der Führungsetage geben. Ich habe das damals eher lächelnd abgetan und mich über das nette Kompliment gefreut. Im Grunde hat die Aussage meine Fähigkeiten aber gut zusammengefasst – als „Übersetzer“ zwischen einer Führungsetage jenseits der 50 und einer jüngeren Generation. Ich habe es immer schon geschafft, junge Leute zu motivieren und sie für große, strategische Entscheidungen zu begeistern. Heute haben viele Menschen verstanden, dass man flexibel, virtuell und mit viel Vertrauen führen kann. Das ist zum Glück kein Sonderfall mehr, sondern eher die Regel. Für mich war es eine Bestätigung, von Anfang an in die richtige Richtung gearbeitet zu haben. Dem Trend nicht hinterher- sondern vorwegzulaufen. Wo liegt für die Kommunikation in den nächsten drei Jahren die größte Herausforderung? Ist es der Umgang mit Corona oder etwas anderes? Die Coronakrise ist auf jeden Fall die längste akute Krise, die wir als Kommunikatoren begleiten müssen. Für mich persönlich ist Krisenkommunikation immer schon die anspruchsvollste Kommunikationsdisziplin. Man muss auf alles vorbereitet sein, sehr kurzfristig reagieren und informieren und man darf den Blick nach vorne nicht verlieren. Sich hier nicht im „Klein-Klein“ zu verlieren – gerade im Hinblick auf die aktuelle mediale Diskussion – ist nicht einfach. Auf der internationalen Ebene fühlt sich Krisenkommunikation an wie 3D-Schach. Was diese Woche in Deutschland passiert, ist vielleicht schon vor drei Wochen in Schweden passiert – oder wird in drei Wochen dort passen. Man kann europaweit nicht gleich kommunizieren, sondern man kommuniziert sozusagen zeitversetzt. Intellektuell ist das eine sehr reizvolle Aufgabe. Aber natürlich wünsche ich mir, dass die Krise schnell vorbei geht. Sie hat einen Rieseneffekt auf alle Wirtschaftsbereiche – ganz besonders natürlich auf die Reisebrache. Bitte ergänzen: Wenn ich Widerstände erlebe… …versuche ich die Motivation derjenigen zu verstehen, der/die die Widerstände auslöst. Das klingt einfach, ist es aber in großen Organisationen oft nicht. Es gibt sehr viele verschiedene Perspektiven auf ein Problem. Was da hilft sind Allianzen: sich ein Netzwerk aufzubauen, das einen unterstützt. Auch in größeren Situationen hat mir das immer geholfen, Widerstände zu überwinden. Aber man muss auch erkennen, wann die Widerstände so groß sind, dass sich der Kampf nicht lohnt. Das erspart viele schlaflose Nächte. Welchen Rat würde der international geprägte Kommunikator Magnus Hüttenberend deutschen Kollegen mit auf den Weg geben? Was kann man anders machen? Man darf sich nicht scheuen, spontan zu sein: morgens ins Büro zu kommen, ein Problem zu identifizieren und an dem Tag noch eine Lösung zu erarbeiten. Da ist es auch nicht schlimm, dass man noch keinen Kommunikationsplan hat und dass dieser noch nicht vom Vorstand abgesegnet wurde. Man kann auch mal einen Journalisten anrufen, um eine Geschichte zu pitchen oder ein internes Event erstellen – ohne den Segen aller Gremien zu haben. Mut wäre für Kommunikationsabteilung manchmal gar nicht so schlecht. Mut ist etwas, von dem wir alle nicht zu viel haben können. Worauf suchst Du immer noch eine Antwort?