Axel, Du verantwortest bei E.ON das globale Marketing. Was sind Deine Ziele, deine Aufgaben, was tust du so den ganzen Tag? Das ist relativ simpel: die neue E.ON Geschichte erzählen. Die neue E.ON, die sich gewandelt hat von einem integrierten Utility-Unternehmen mit Produktion und Kraftwerken zu einem Energiedienstleister mit zwei Standbeinen: dem Netzgeschäft, also der Verteilung von Energie, sowie den Kundenlösungen – wie kommt die Energie zum Kunden und wie können neue Energielösungen implementiert werden. Ich leite die Bereiche Markenführung, Marketing, Insights und Customer Experience. Unsere Aufgabe ist es, diese Veränderung im Markt zu kommunizieren. Dabei geht es um die zentrale Fragestellung: Wie verknüpfen wir den neuen Kern der Marke mit den Erwartungen der Kunden und wie übersetzen wir dies in konkrete Erfahrungen in der Interaktion mit unseren Kunden. Vor E.ON warst du acht Jahre bei Merck. Wie hast du den Wechsel von einem Pharma-Konzern zu einem Energieriesen empfunden? Was sind die großen Unterschiede für dich als Führungskraft? Wenn man bei beiden DAX–Konzernen mal das Geschäftsmodell außen vor lässt, dann gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Die großen Unternehmen haben heute alle dieselben Herausforderungen. Nach innen ist es der kulturelle Wandel – hin zu einem agileren, flexibleren Arbeiten. Extern ist es der rapide Wandel im Geschäftsumfeld. E.ON steckt in der Energiewende und muss den Wandel hin zu einem nachhaltigen, dezentralen Anbieter bewältigen. Großkonzerne bewegen sich aktuell alle in diesem Spannungsfeld – in anderen Branchen gibt es ähnliche Megatrends. Für mich persönlich war die größte Umstellung die veränderte Rollenverantwortung. Bei Merck war ich Abteilungsleiter in der Konzernkommunikation und habe vor allem Manager geführt. Bei E.ON leite ich eine Hauptabteilung und meine Aufgabe ist das Führen von Führungskräften. Das ist schon ein anderes Abstraktions- und Strukturlevel und man ist noch mal anders im Unternehmen exponiert – das ist schon ein großer Unterschied. Der Wechsel der Branche war gar nicht so ein großer Sprung, da ich aus meiner Beratungsvergangenheit gewohnt bin, mich immer wieder in eine neue Industrielogik einzuarbeiten. Was bedeutet Karriere für Dich? Tatsächlich weniger ein Denken in Hierarchie, sondern eher die Kombination aus Handlungsspielraum und Leidenschaft für den Job. Zwei Fragen sind für mich zentral: Kann ich mich für die Aufgabe begeistern? Kann ich Veränderungen herbeiführen und etwas bewegen? Für mich ist das die beste Kombination. Muss man für beruflichen Erfolg Opfer bringen? Welche? Opfer ist ein sehr hartes Wort. Ich würde es mal so formulieren: Bei beruflichem Erfolg ist — zumindest langfristig — immer ein Beipackzettel dabei. Ich würde jetzt nicht von Risiken und Nebenwirkungen sprechen, aber von Begleiterscheinungen. Das hat auch viel mit Raum und Zeit zu tun. Wir arbeiten alle in der globalisierten Wirtschaft und Reisen gehört unter normalen Umständen dazu. Ich glaube schon, dass wir durch die aktuelle Arbeitsweise über Teams oder Skype an Grenzen stoßen. Der persönliche Dialog mit den Kollegen im Ausland bleibt wichtig und ist nicht hundertprozentig durch digitale Kommunikation ersetzbar. Reisen ist mit hohem zeitlichem Aufwand verbunden, der auch an den eigenen Energiehaushalt gehen kann. Wenn man im Job Dinge bewegen möchte, ist Zeit generell ein wichtiger Faktor. Resultate lassen sich nun mal nicht nebenbei erzielen. Um größere Veränderungen zu bewirken, muss man schon bereit sein, die Extrameile zu gehen. Ich halte es für sehr wichtig, für sich und sein privates Umfeld eine gute Balance finden. Aus welchem Misserfolg hast Du am meisten gelernt – und was? Ich hatte mal die Aufgabe ein Motto einzuführen. Am Ende war das Ergebnis zwar „folgenlos richtig“, aber irgendwie auch banal. Daraus habe ich gelernt, dass zu viele Kompromisse unweigerlich ins Mittelmaß führen. Menschen mitzunehmen ist wichtig, aber es braucht eben auch eine gewisse Schärfe und Gradlinigkeit, um das Thema nicht verwässern zu lassen und die Kernaussage klar herauszuarbeiten. Das bedeutet dann manchmal, dass nicht jeder das Ergebnis gut findet, aber das gehört einfach dazu. Wo liegt für die Kommunikation in den nächsten drei Jahren die größte Herausforderung? Ist es der Umgang mit Corona oder etwas anderes? Ich glaube der Umgang mit Corona weist schon in die richtige Richtung. Es gibt den Modebegriff „VUCA“ – Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Komplexität ist dabei ein wesentliches Thema. Wie gehe ich mit Komplexität um? Dazu gehört, sie anzunehmen und in oft unklaren Gemengelagen gute Entscheidungen zu treffen. Dafür ist ein großes Maß an Flexibilität erforderlich. Die Realität ist schnell, flexibel und undurchsichtig. Ein starrer Fünfjahresplan bringt einen nicht weiter. Es braucht ein hohes Maß an Stressresilienz und Flexibilität, um nicht nur mit der Komplexität umzugehen, sondern auch Spaß an der Aufgabe zu finden. Wie willst Du als Führungskraft diese Herausforderung meistern? Ich setze da sehr stark auf Diversität. Es ist mir wichtig, dass mein Team möglichst divers aufgestellt ist — in allen Belangen. In diesen komplexen Gemengelagen, die keine einfachen Antworten bereithalten, braucht es einen kreativen Diskurs, der möglichst viele Schlaglichter auf das Problem wirft. Die Frage nach dem Warum und dem Wie hilft, ein Gefühl dafür zu bekommen, was das Problem ist und wie man damit umgeht. In Zeiten von Agilität und New Work: Braucht es heutzutage überhaupt noch Führungskräfte? Und was müssen die können? Bitte ergänzen: Wenn ich Widerstände erlebe, bin ich… …erfahren genug, um zu wissen, dass das völlig normal ist. Für mich ist ein Widerstand eher ein Signal, dass die Kommunikation irgendwo noch nicht funktioniert hat und ich da noch mal nachhaken muss. Worauf suchst Du immer noch eine Antwort? Warum machst Du bei der Modern Leaders Initiative mit? Da gibt es eine relativ simple Antwort: Ich hatte in meinem Berufsleben bisher das große Glück, für Führungskräfte zu arbeiten, von denen ich viel lernen durfte. Wenn ich das ein oder andere weitergeben kann, dann fände ich das schon toll.