Führung

Nachhaltigkeit – wer macht´s?

Veröffentlicht am 13.06.24 von Juliane Weidtmann

Klimawandel, Lieferkettengesetz, Arbeitsbedingungen: ESG hat sich zu einem zentralen Thema in der Wirtschaftswelt entwickelt. Spätestens mit der Einführung EU-weiter Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in diesem Jahr ist ESG in aller Munde. Bleibt die Frage: Wer im Unternehmen kümmert sich eigentlich um Nachhaltigkeit? Dieser Frage sind wir nachgegangen – im Gespräch mit Thomas Kreiter, Leiter HR bei ÖBB-Infrastruktur, Katharina Bathe-Metzler, Head of Sustainability, Communications & Public Affairs bei techem sowie mit Gundula Ullah, Chief Procurement & Sustainability Oficer bei Funke im Rahmen der PRCC-Lounge „Nachhaltigkeit: Wer macht´s?“ am 27. Mai 2024 zusammen mit dem Bundesverband der Personalmanager (BPM). Moderiert wurde das Panel von Anke Brinkmann (HH2E / BPM) und Thomas Lüdeke (PRCC).

Nachhaltigkeit ist im Trend: Es gibt Masterstudiengänge in Nachhaltigem Management, Zertifikatslehrgänge in Nachhaltigkeitskommunikation und sucht man auf gängigen Jobportalen nach „Nachhaltigkeit“, gibt es eine hohe vierstellige Trefferquote. Aber scrollt man sich durch die Ergebnisse wird schnell klar: Der Bereich hat eine scheinbar unendliche Bandbreite an Facetten und bedarf zahlreicher unterschiedlicher Kompetenzen. Welche Abteilung sollte also federführend für das Thema verantwortlich sein?

Angedockt oder eigenständig?

Viele Fachbereiche erheben Anspruch auf die Verantwortung für ESG – und jeder findet Argumente für sich. Finance kennt die Zahlen, Research & Development kümmern sich schon naturgemäß um die Zukunft, Legal kennt sich aus mit Regularien. Wieder andere plädieren für eine eigene Stabsstelle – aus dem einfachen Grund, dass das Thema zu komplex ist und zu viel Fachkompetenz benötigt, um es mit einem anderen zu kombinieren.

Unsere drei Gesprächspartner haben uns Einblicke gewährt, warum in ihrem jeweiligen Unternehmen die Verantwortung auf HR, Einkauf, bzw. Kommunikation fiel.

HR verantwortet das „S“ in ESG

Bei den ÖBB, den Österreichischen Bundesbahnen, liegt die Verantwortung insbesondere für die soziale Komponente von ESG bei HR. „Das Soziale ist eine wichtige Dimension von ESG, Themen wie Generationenwandel, Diversität und soziale Verantwortung. Und das kann eigentlich nur bei HR angesiedelt sein“, sagt Thomas Kreiter, Leiter HR. Mitarbeitende, deren Handeln vom Nachhaltigkeitsgedanken geprägt ist, werden schließlich fachbereichsübergreifend benötigt. „Als HR-Abteilung verfügen wir über die entsprechenden Hebel, Anreize für nachhaltiges Verhalten in unserer Belegschaft zu verankern, darüber hinaus können wir bei Neueinstellungen für alle Unternehmensbereiche einen klaren Fokus darauf legen, entsprechend qualifizierte Leute an Bord zu holen: Wir brauchen Leute mit Know-how in Sachen Energieeffizienz, Leute die wissen, wie man Bauprojekte nachhaltig gestaltet und natürlich auch die Richtigen, wenn es um Finanzen und die Nachhaltigkeitsberichte geht“.

Einkauf sichert nachhaltige Produktion

In der Medienbranche spielen andere Faktoren eine übergeordnete Rolle: Gundula Ullah, die Leiterin der Bereiche Einkauf & Nachhaltigkeit der Funke Mediengruppe, ist in ihrem Unternehmen verantwortlich für ESG. „Das Thema liegt bei uns in der Chefetage. Es ist unsere Aufgabe, Qualitätsjournalismus als vierte Säule der Demokratie auch für die Zukunft zu sichern. Für uns als Medienunternehmen liegt der Fokus daher auf der nachhaltigen Produktion entsprechender Angebote.“ Darüber hinaus werden insbesondere für nachfolgende Generationen langfristig gedacht – so wurde bei der WAZ ein „Klimavolontariat“ installiert, eine journalistische Ausbildung mit einem thematischen Fokus. „Damit stellen wir sicher, dass z.B. das Thema Klimaschutz bei den LeserInnen intensiv verankert wird und sie befähigt, selbst Entscheidungen auf der Basis fundierter Information zu treffen.”

Kommunikation holt alle ins Boot

Katharina Bathe-Metzler, Kommunikationschefin von Techem, verantwortet das Thema für den Energiedienstleister. „Als Unternehmen, das sich schon aus dem Geschäftsmodell heraus intensiv mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt, haben wir eine durchgehende Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und ausgerollt. Dabei übernehme ich die Weiterentwicklung sowie die Leitung für die operative Umsetzung dieser Strategie. Nachhaltigkeit in einem Bereich mit Kommunikation und Public Affairs aufzuhängen, erscheint darüber hinaus schon alleine deswegen sinnvoll, als dass wir in meinem Team ohnehin bereits eng zu vielen zentralen Themen mit den Fachbereichen zusammenarbeiten, nötige Informationen einholen, diese zielgruppengerecht aufbereitet auch an unterschiedliche interne und externe Stakeholdergruppen weitergeben. Gemeinsam sorgen wir so dafür, dass sich alle abgeholt fühlen: Unsere Mitarbeitenden sind informiert und sprechfähig gegenüber unseren Kunden sind – denn insbesondere für die Immobilienwirtschaft gewinnt das Thema zunehmend an Relevanz. Darüber hinaus haben sie Mitwirkungsmöglichkeiten über Aktionen wie eine Nachhaltigkeitswoche, ein internes Diversitätsnetzwerk oder unsere allgemeine Feedbackkultur. Unsere externen Stakeholder werden im Rahmen des regelmäßigen Reportings sowie der begleitenden Nachhaltigkeitskommunikation umfassend darüber informiert, welchen Beitrag wir im eigenen Unternehmen, aber eben auch über unsere Produkte und Services für die Welt von morgen leisten.“

Durchsetzungsstärke und langfristige Ziele

Die Notwendigkeit konsequenter Nachhaltigkeitsziele steht branchenübergreifend nicht zur Diskussion. Einigkeit herrscht vor allem hinsichtlich der Tatsache, dass ESG nicht unterschätzt werden darf: Unabdingbar sind ein tiefes Verständnis für Regulatorik, Weitblick und die Argumentationsfähigkeit für die Durchsetzung langfristiger (und oft kostenintensiver) Ziele sowie das Durchhaltevermögen, den hohen Anforderungen im Arbeitsalltag gerecht zu werden.Wo das Thema ESG aber innerhalb eines Unternehmens am besten aufgehoben ist, ist nicht pauschal zu beantworten und in der Regel abhängig von Unternehmensstruktur, vorhandenen Kompetenzen in der Belegschaft und natürlich auch der Branche.

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