Der/die CEO ist das Aushängeschild eines Unternehmens, zunehmend werden Erfolg und Misserfolg mit seinem/ihrem Namen verbunden. Eine einzelne Äußerung kann die Unternehmensreputation erheblich beeinflussen. Dass eine systematische CEO-Kommunikation über die letzten Jahre zu einem elementaren Bestandteil der Unternehmenskommunikation geworden ist, ist demnach folgerichtig.
AufsichtsrätInnen werden im Gegensatz zu CEOs noch immer oft als „Graue Eminenzen“ wahrgenommen. Dabei bieten ihre Themen eine relevante weitere Facette in der ganzheitlichen Unternehmenskommunikation. Über die wachsende Bedeutung der Aufsichtsratskommunikation haben wir mit Dr. Sandra Binder-Tietz gesprochen, die am Lehrstuhl für Kommunikationsmanagement der Universität Leipzig sowie für das Center for Research in Financial Communication tätig ist.
Frau Dr. Binder-Tietz, warum ist das Thema CEO-Kommunikation so selbstverständlich, das Thema Aufsichtsratskommunikation aber bisher weitgehend unbeachtet?
CEO-Kommunikation ist sowohl in der Praxis als auch der Forschung seit vielen Jahren etabliert. „Executive Communication“ findet sich heute in vielen Stellenausschreibungen für Kommunikationsverantwortliche. Interessanterweise ist der Fokus meist auf dem/der CEO, deutlich seltener auf anderen VorständInnen, wie dem/der CFO oder anderen FachvorständInnen – auch hierzu gibt es bislang deutlich weniger Forschung.
Der Aufsichtsrat wurde bislang kaum als Kommunikator wahrgenommen. Einerseits ist der Aufsichtsrat im Aktiengesetz traditionell stark auf die Rolle des Kontrolleurs beschränkt. Andererseits hat Corporate Governance in den vergangenen Jahren jedoch stark an Bedeutung zugenommen. Die Notwendigkeit einer funktionierenden Corporate Governance hat den Aufsichtsrat zu einem noch relevanteren Player gemacht. Das heißt insgesamt steigen die Anforderungen an Aufsichtsräte, es sind höhere Kompetenzen gefordert. Und eine wichtige Kompetenz ist Kommunikation.
Aufgrund welcher Faktoren gewinnt das Thema AR-Kommunikation langsam an Bedeutung?
Aus meiner Sicht gibt es vier zentrale Gründe für diese Entwicklung:
Erstens sind die Kapitalmärkte zunehmend international, Investoren aus dem Ausland haben ganz selbstverständlich den Anspruch, dass Aufsichtsratsvorsitzende mit ihnen kommunizieren. Auch die Angriffe aktivistischer Investoren haben zu einem Umdenken geführt, denn die setzen oft auch bei Aufsichtsräten an.
Zweitens wurde 2017 im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) eine Anregung aufgenommen, dass Aufsichtsratsvorsitzende im angemessenen Rahmen bereit sein sollten, mit Investoren zu sprechen. Das hat zu einer Legitimation des Investorendialogs geführt, der vorher eher in einem rechtlich diffusen Rahmen stattgefunden hat.
Drittens haben verschiedene Unternehmenskrisen dazu geführt, dass es eine veränderte öffentliche Wahrnehmung für den Aufsichtsrat gibt. Wer ist das eigentlich? Was entscheiden die? Welchen Einfluss haben sie im Unternehmen?
Und schließlich viertens kommt eine neue Generation von Aufsichtsratsvorsitzenden in die Positionen, die ein anderes Selbstverständnis haben – auch was ihre Kommunikation angeht.
Was sind es für Themen, die der/die Aufsichtsrat(svorsitzende) im Gegensatz zum/zur CEO kommuniziert? Salopp gesagt: Was bleibt noch übrig, wenn alles, was ohnehin publiziert werden muss und über die Regelkommunikation bereits abgedeckt wurde, gesagt ist?
Die Themen von CEO und Aufsichtsratsvorsitzenden – als Sprecher des Aufsichtsrats – lassen sich ganz klar voneinander abgrenzen. So liegen beispielsweise alle operativen und strategischen Fragen beim Vorstand. Es gibt aber diverse Themen über die der CEO gar nicht sprechen kann, da sie beim Aufsichtsrat liegen.
Klar, ein großer Teil der Aufsichtsratskommunikation ist Regelkommunikation, wenn man an den Aufsichtsratsbericht, die Erläuterung auf der Hauptversammlung oder Directors Dealings denkt. Aber es gibt auch freiwillige Kommunikationsmaßnahmen von Aufsichtsratsvorsitzenden, also den Investorendialog nach dem DCGK, aber auch Interviews und Hintergrundgespräche mit Medien, die immer häufiger stattfinden. Hier stellt sich schon die Frage, durch wen und wie das vorbereitet und begleitet werden.
Und auch innerhalb der Regelkommunikation finden sich immer wieder freiwillige Kommunikationsmaßnahmen. Der Aufsichtsrat ist ja u.a. für die Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat, also auch deren Diversität, zuständig. Die Frage eines Journalisten, wie das in den kommenden Jahren erreicht werden soll, kann nur der Aufsichtsratsvorsitzende beantworten. Dabei muss man sich natürlich überlegen, warum man das macht.
Zu welchen Themen ist der/die Aufsichtsrat(svorsitzende) generell der/die richtige Ansprechpartner? Und ist das Journalisten und anderen Stakeholdern wie Investoren oder privaten Anlegern bewusst?
Der Aufsichtsrat als Kontrollgremium hat klassische Themen wie etwa die Besetzung, Entlassung als auch Vergütung des Vorstands und des Aufsichtsrats – und nicht zu vergessen die Abschlussprüfung. In mitbestimmten Aufsichtsräten hat der Aufsichtsrat eine Interessenausgleichsfunktion. Das sind Themen über die nur Aufsichtsratsvorsitzende Auskunft geben können. Und da ist es auch wichtig den Stakeholdern zu zeigen: es gibt eine(n) AnsprechpartnerIn.
In meinem Buch zeige ich, dass Stakeholder, wie Investoren, Stimmrechtsberater oder Journalisten, ganz klare Erwartungen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden haben. Sie wollen umfangreiche und aktuelle Informationen in Bezug auf die Arbeit und Entscheidungsfindung im Aufsichtsratsgremium. Die Publizitätspflichten decken bereits viel davon ab – aber insbesondere in Sondersituationen wird eine zeitlich begrenzte aktivere Kommunikation erwartet. Und sie erwarten, dass Aufsichtsratsvorsitzende die spezifischen Anforderungen der Stakeholder verstehen und in der Kommunikation berücksichtigen.
Inwieweit hat eine professionell aufgestellte AR-Kommunikation auch eine Funktion nach innen?
Die interne Kommunikationsrolle ist für Aufsichtsratsvorsitzende mit Abstand am wichtigsten. Das heißt sowohl innerhalb des Gremiums, aber auch der Austausch mit dem Vorstand. CEO und Aufsichtsratsvorsitzender treffen sich mindestens einmal, oft zweimal im Monat. Denn auf Basis der Informationen des Vorstands nimmt der Aufsichtsrat ja seine Überwachungsaufgabe wahr. Eine gut vorbereitete Aufsichtsratssitzung ist genauso viel Arbeit wie jedes gute Mediengespräch.
Darüber hinaus würde ich auch Führungskräfte als relevante Stakeholder der Aufsichtsratskommunikation sehen. Hier gibt es zwar kein unmittelbares Informationsrecht, aber der Kontakt sollte als Teil einer transparenten Unternehmenskultur begriffen werden. Zudem ist die Nachfolgeplanung des Vorstands eine relevante Aufgabe des Aufsichtsrats – da sollte er die wichtigsten Führungskräfte kennen.
Diese interne Kommunikationsaufgabe übernehmen die Aufsichtsratsvorsitzenden bislang meist alleine – manchmal unterstützt ein Corporate Office, seltener ein Kommunikationsverantwortlicher.
Wie sind CEO, Aufsichtsratsvorsitzende(r) und die Verantwortlichen für Unternehmenskommunikation und für Investor Relations bestenfalls miteinander verknüpft und wie interagieren sie?
Eine zentrale Erkenntnis meiner Forschung ist, dass es in den seltensten Fällen eine klare Verantwortlichkeit für die Aufsichtsratskommunikation gibt – weder in der Unternehmenskommunikation noch in der Investor Relations. Für eine professionelle Kommunikation sollte es jedoch eine Unterstützung bzw. Verantwortlichkeiten geben.
Idealerweise setzen sich die drei oder vier Beteiligten, also CEO, Aufsichtsratsvorsitzende und Kommunikationsverantwortliche, zusammen und sprechen gemeinsam zur Kommunikation. Die Themen lassen sich klar voneinander abgrenzen. Aber wie soll beispielsweise damit umgegangen werden, wenn es Anfragen an den Aufsichtsratsvorsitzenden gibt? Inwiefern gibt es eine interne Vorabinformation, wenn eine Kommunikation stattfindet.
Kommunikationsverantwortliche haben hier eine ganz klare Beratungsfunktion für den Vorstand, aber auch den Aufsichtsrat – um im Sinne des Unternehmens eine transparente Kommunikation sicherzustellen.
Zu guter Letzt: Was muss ein/e KommunikatorIn mitbringen, wenn er/sie in die Rolle des/der Verantwortlichen für die AR-Kommunikation schlüpfen möchte?
Viele Kommunikationsverantwortliche machen bereits Aufsichtsratskommunikation, auch wenn das vielleicht nicht explizit so genannt wird. Wenn wir mal einen Wechsel im Vorstand als Beispiel nehmen – denn das ist Aufsichtsratskommunikation – dann zeigt sich, dass hier viel klassisches Handwerkszeug, also Pressemitteilung, Social Media etc. erforderlich ist – es aber vor allem eine klare Beratungsfunktion beinhaltet.
Verantwortliche für Aufsichtsratskommunikatoren sehe ich als Generalisten, die ein gutes Netzwerk innerhalb des Unternehmens sowie ein Verständnis für die Anforderungen der ganz unterschiedlichen Stakeholder des Aufsichtsrats aber auch des Unternehmens insgesamt haben sollten.
Stakeholder erwarten einfach, dass Aufsichtsratsvorsitzende kommunizieren. Diesem
Anspruch sollten die Unternehmen mit einer entsprechenden internen Aufstellung begegnen. Denn die Erläuterung von Themen aus dem Blickwinkel des Aufsichtsrats tragen zur Transparenz und damit der Reputation des Unternehmens bei.
Vielen Dank, Frau Dr. Binder-Tietz, für das Gespräch.
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